FRAU IM MOND (1929)

Deutschland 1929
Regie: Fritz Lang
Drehbuch: Thea von Harbou
Mit Gerda Maurus, Willy Fritsch, Gustav von Wangenheim, Fritz Rasp, Klaus Pohl u.a.
Dauer: 165 min.

Fritz Langs letzter Stummfilm ist eine handfeste Science-Fiction-Abenteuer-Spionage-Schnurre, die sich in ihrem Grundgerüst wenig von den Groschen-Heftchen unterscheidet, welche sich der kleine Gustav im Film so begeistert zu Gemüte führt. Wäre da nicht der solide wissenschaftliche Unterbau (Hermann Oberth arbeitete als wissenschaftlicher Berater am Film mit), Langs ausgeklügelte Filmkunst und die höchst interessante Film-Architektur, man müsste von einem Trivialfilm reden.

Frau im Mond kann man immer wieder unter einem anderen Gesichtspunkt geniessen: Man kann sich je nach Lust und Interesse auf die grandios konzipierten Bilder konzentrieren, auf die durchkomponierten Bewegungsabläufe, die Architektur, die herrlichen Kulissen, die spannende Story – oder auf die Logikfehler im Skript.

So oder so: Der Film macht Spass – von Anfang bis Ende! Für uns heutige Betrachter kommt noch eine weitere, höchst interessante Ebene hinzu: Jene der historischen Distanz. Wie sich Lang und seine Crew den Mondflug und die Landung auf dem Erdtrabenten vorgestellt hatten, 40 Jahre bevor sie tatsächlich stattfand, ist aus heutiger Sicht nicht einfach nur belustigend; es ist hoch interessant, sowohl die Unterschiede als auch die Übereinstimmungen zu festzustellen.

Frau im Mond beginnt mit einem doppelten Hinauswurf. Das Zertifikat von Professor Manfeldt kommt als erstes ins Bild – es zeugt von seiner Exmatrikulation aus dem Kreis der Wissenschaft. Sodann wird der Mann, der sich gegenwärtig Walter Turner nennt (Fritz Rasp) vom heftig gestikulierenden und schimpfenden Manfeldt (Klaus Pohl) aus der Wohnung geschmissen. Unternehmer Helius (Willy Fritsch), auf dem Weg zu Manfeldt, kann den Stürzenden gerade noch auffangen.
Somit sind drei der Hauptfiguren in einem fulminanten Prolog eingeführt, die Neugier des Publikums ist innert dreier Filmminuten geweckt. Von jetzt an frisst es Lang und seiner Crew aus der Hand.

Manfeldt und Helius auf der Seite der Guten stehen einem sinisteren Konsortium gegenüber, welches die Goldreserven der Erde kontrolliert; Turner funktioniert als dessen Agent. Manfeldts Unternehmen Mondflug läuft den Interessen des Konsortiums entgegen und so soll Tuner den Professor zur Kooperation mit dem mächtigen Gremium zwingen.

Die ersten knapp anderthalb Stunden wird man also mit einer Spionagegeschichte bei der Stange gehalten, die von einem Hauch Liebesdrama begleitet wird, bevor dann mit dem Mondflug die Science-Fiction zu ihrem Recht kommt.

Interessant und wohl mit einem Augenzwinkern in Richtung Groschenroman zusammengestellt ist die Raumschiff-Crew: Neben Helius, Manfeldt, Turner und dem Techniker Windegger (Gustav von Wangenheim) befinden sich auch noch Windeggers Verlobte Friede Velten (Gerda Maurus) mit an Bord – eine selbstbewusste Frau, die früher Helius zugeneigt war –  zudem der etwa zwöfjährige Knabe Gustav (Gustl Stark-Gstettenbaur) und Manfeldts Maus.

Von Moment des Raketenstarts an verblüfft der Film mit einem Ablauf, den wir von den TV-Übertragungen der Apollo-Flüge kennen: Endlose Tage in der Enge der Raumkapsel, der Blick zurück zur Erde, das Gefühl der Einsamkeit und der Angst, die Annäherung an den Mond, die ersten Schritte, usw. Es ist zum Teil frappant, wie die Stummfilmbilder den berühmten Fernsehbilder gleichen!
Die Realität der Siebzigerjahre schrieb fast exakt dasselbe Drehbuch wie Thea von Harbou am Ende der Zwanziger. Freilich kommt immer wieder die Fiktion ins Spiel, die von atembarer Mondluft über brodelnde Wasserlöcher bis zur Entdeckung von Mondgold reicht.

Diese Mischung aus ausgelassener Fiktion, wissenschaftlicher Exaktheit und historischer Distanz macht diesen Film, zusammen mit seinen starken Bildern, zum unvergesslichen Seh-Erlebnis, das man am besten mit staunenden Kinderaugen betrachtet.

Die DVD: Ich habe die DVD von Eureka (Masters of Cinema Series) bestellt und bin – zumindest von der Bildqualität – begeistert! Sie ist schlicht phantastisch, das Bild wird in seiner Vollständigkeit präsentiert und es ist kein Kratzer und kein Fitzelchen zu sehen (letzteres ist für mich allerdings nicht zwingend). Die Tiefenschärfe ist vorbildlich. Langs Bilder können so ungehindert ihre ganze Kraft entfalten.

Die Pianountermalung von Willy Schmidt-Gentner gehört nicht zu den besten Stummfilmmusiken, die ich je gehört habe, unterstützt die Handlung aber sinnvoll und transportiert die Stimmungen und Gefühle adäquat.

Das Booklet hingegen ist enttäuschend; es besteht praktisch ausschliesslich aus einen Essay von Computerwissenschaftler Michael E. Grot, das sich geschwätzig in zum Teil haltlosen Spekulationen über den Symbolismus in Frau im Mond ergeht und keinerlei historische Hintergründe bietet. Die gibt’s dafür im Bonusfilm, einer 15-minütigen Dokumentation über den vorliegenden Film (deutsch gesprochen).

Die Eureka-Ausgabe enthält die originalen deutschen Texttafeln, die englischen Untertitel sind ausblendbar.

Bestellen kann man die Ausgabe hier.
Es gibt auch eine deutsche Ausgabe dieses Films von Universum, allerdings nur in einer 6-DVD-Box mit anderen Lang-Stummfilmen zusammen (Dr. Mabuse, der Spieler, beide Teile, und Spione). Bestellbar ist sie zu einem sehr guten Preis hier.

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