Gypsy (dt.: Gypsy – Königin der Nacht, USA 1962)

Mit Rosalind Russell, Natalie Wood, Karl Malden, Ann Jillian, Paul Wallace u.a.
Drehbuch: Leonard Spigelgass nach dem Bühnenmusical von Arthur Laurents
Regie: Mervyn LeRoy
Genres: Musical, Komödie, Drama
Dauer: 143 min
Farbe: Color

Rose Hovick (Rosalind Russell) tourt mit einem Vaudeville-Akt durch die Staaten, in welchem sie ihre Töchter, namentlich die kleine June (Ann Jillian) in einer Sing – und Tanznummer vermarktet. Die ältere, Louise (Natalie Wood) muss ihr Talent erst noch finden und macht im Ballett als Kuh mit. Nachdem June ausgestiegen ist, weil sie im neuen Medium Film gross herauszukommen gedenkt, ist Mama Rose ums Verrecken nicht von ihrem Bühnen-Fimmel abzubringen. Nun muss Louise ins Rampenlicht gezerrt werden, doch die macht als June-Ersatz zunächst keine gute Figur. Als sie dann endlich ihre Bestimmung findet, passt dies der Mama ganz und gar nicht ins Konzept…

Musicals, die im Bühnenmilieu spielen haben im klassischen Hollywood-Film Tradition. Die Theater-Thematik bietet den idealen Vorwand für glamourös inszenierte Gesangs- und Tanznummern. Gypsy scheint sich in diese Tradition einzureihen – doch der äussere Schein trügt. Die Theatertruppe um Madame Rose ist bestenfalls zweitklassig, ausser einer einzigen, in Endlosschleife wiederholten Nummer hat sie nichts zu bieten. Mit anderen Worten: Gypsy glänzt gerade nicht mit glamourös-bombastischem Bühnenzauber; die Gesangseinlagen finden während der Handlung statt und sind vergleichsweise bescheiden gehalten. Trotz dieser Unkonventionalität waren die Bühnenvorlage und der Film enorm erfolgreich.

Obwohl man dem Film seine Theaterherkunft ansieht – er wirkt bisweilen sehr „stagy“, wie die Amerikaner das nennen – wird dieser Eindruck durch die hervorragende Besetzung wieder wett gemacht. Rosalind Russell als raumgreifende Madame Rose, die mit ihrem Dampfwalzen-Charme alle Hindernisse zum Erfolg ihrer Töchter einebnet, droht ihre Mit-Aktricen und -Akteure lauthals an die Wand zu spielen. Allerdings gelingt es ihr nicht, weil die anderen ihr ebenbürtig sind. Was sie macht ist Ham – wie die Briten das Schmierentheater nennen – auf höchstem Niveau. Man könnte meinen, sie habe neben sich niemanden gelten lassen, doch Natalie Wood und sie wurden mit diesem Film zu engen Freundinnen. Natalie Woods Stern geht in der letzten halben Stunde des Film erst so richtig auf, wenn Gypsy eine Wendung nimmt, die man so absolut nicht erwartet. Was sie da bietet geht so komplett gegen ihr Maria-Image, das ihr seit der im Vorjahr gedrehten West Side Story anhaftete, dass man glauben möchte, sie hätte die Rolle nur angenommen, um dieses wieder loszuwerden. (Wood mochte West Side Story erklärtermassen gar nicht.)

Gypsy bietet einen charmanten Einblick in die Zeit, als der Vaudeville in den USA abdanken musste, ein routiniert inszeniertes, atmosphärisch köstlich ausgestattetes Schaustück mit pfiffigen Songs und einer grandiosen Besetzung. Ein Film, der nichts weiter will, als unterhalten – ein Ziel, das er auf hohem Niveau erreicht.

Das Drehbuch: 7 / 10
Die Regie: 8 / 10
Die Schauspieler: 10 / 10
Gesamtnote: 8 / 10

Verfügbarkeit:
Der Film kam1963 auch in die deutschsprachigen Kinos. Auf DVD oder Blu-ray sucht man ihn hierzulande vergebens. Dafür ist er bei einigen Stream-Anbietern zu finden – hier die Liste.

 

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