Filmstöckli

Ein Stöckchen wird im schweizerischen Dialekt Stöckli genannt. Das passt, denn meine Mutter war eine gebürtige Stöckli und ich schrieb meine ersten Filmrezensionen unter diesem Namen.
So stelle ich mich der mir von Whoknows gestellten Aufgabe mit persönlicher Betroffenheit und nostalgischer Rückschau – denn viele Fragen zielen direkt in meine Vergangenheit als junger Filmbesessener. Und ich kann mich noch etwas länger vor der Fertigstellung meines Bericht über Fritz Langs Metropolis drücken, die mir wie ein Moloch auf der Seele liegt.

– Ein Film, den du schon mehr als zehnmal gesehen hast
Ein Stummfilm, wie könnte es anders sein. Und zwar Walt Disneys Fantasia – der Originalfilm von 1940 natürlich. Immer noch mein Lieblingsfilm. Er hat mir als damals Zwölfjähriger die Welt der klassischen Musik eröffnet, wofür ich ihm ewig dankbar bin und ihm mit immer wiederkehrenden Visionierungen huldige. Die Betonung, die dieser „Post-Stummfilm“ auf das Visuelle legt, der Mut mit dem er dies 1940 tat, fasziniert mich ohne Ende.

– Ein Film, den du mehrfach im Kino gesehen hast
Da muss ich wieder Fantasia nennen – und Spielbergs Close Encounters of the Third Kind. Die Kopien wurden mit den Jahren allerdings immer rotstichiger, was mir den Kinobesuch vergällt und die Vorzüge der DVD bewusst gemacht hat.

– Ein Schauspieler, wegen dem du eher geneigt wärst, einen Film zu sehen
Alec Guinness, Peter O’Toole, John Goodman, Christopher Plummer… Und die Schauspielerinnen? Nach denen wird wieder nicht gefragt – aber geantwortet: Maggie Smith, Jane Darwell, Veronica Lake, Marie Pervost…

Ein Schauspieler, wegen dem du weniger geneigt wärst, einen Film zu sehen
O.E. Fischer, Gustav Fröhlich, Harvey Keitel…

– Filmmusical, dessen Songtexte du komplett auswendig kannst?
Bis jetzt keins!

– Ein Film, bei dem du mitgesungen hast
Mary Poppins, natürlich! Aber nicht im Kino, um Gottes Willen…!

– Ein Film, den jeder gesehen haben sollte
Sunrise von F.W. Murnau.

– Ein Film, den du besitzt
Die bunte Trickkiste, ein Film, den ich im zarten Alter von zehn Jahren mit der ganzen Kinder-Belegschaft unseres Wohnblockes gedreht hatte und der eine spektakuläre Stop-Motion-Sequenz enthält: Ein Rennen zweier Rennfahrer, die sich auf dem Hosenboden rutschend fortbewegen. Ich sollte ihn mal auf youtube draufladen…

Ein Schauspieler, der seine Karriere nicht beim Film startete und der dich mit seinen schauspielerischen Leistungen positiv überrascht hat?
David Bowie.

– Schon mal einen Film in einem Drive-In gesehen?
Noch nie. Aber schon in einem McDonalds-Drive-In Hamburger für die Kinder geordert.

Schon mal in einem Kino geknutscht?
Fast…
Ich sass während einer Vorführung von Out of Africa neben zwei hübschen jungen Frauen (also eigentlich nur neben einer, die war aber mit ihrer Freundin da). Ca. 20 Filmminuten vor der Pause drückte sie ihr Bein an meines und begann, es langsam und ausgiebig an meinem zu reiben. Mir – damals ein scheuer Jüngling – wurde heiss und kalt und ich verliess das Kino in der Pause fluchtartig.
Wenn ich gefragt werde, ob es etwas in meinem Leben gibt, das ich heute anders machen würde,  dann kommt mir diese Episode in den Sinn. Ja, ich würde sitzenbleiben. Und knutschen! Mindestens!
Den Rest von Out of Africa habe ich übrigens nie gesehen…

– Hast du jemals das Kino verlassen, weil der Film so schlecht war?
Wahrscheinlich bin ich aus mehr Filmen ‚rausgelaufen als ich effektiv im Kino zu Ende geschaut habe.

– Ein Film, der dich zum Weinen gebracht hat
Einer? Auch ich bin eine Heulsuse. Zuletzt bei Les femmes du sixième étage.

Popcorn
Im Kino ein Verbrechen; stinkt, raschelt, knuspert, schmatzt. Sollte man boykottieren!

– Wie oft gehst du ins Kino?
Nur noch wenig; einmal im Monat – hatte ich mir vor Kurzem vorgenommen. Popcorn ist ein Grund, nicht mehr zu gehen.

– Welchen Film hast du zuletzt im Kino gesehen?
„Les femmes du 6ème étage“ (Nur für Personal, 2011)

– Dein Lieblingsgenre
Komödien – gute Komödien sind ein Geschenk Gottes.
Es fallen mir nur drei Genres ein, mit denen ich wirklich nichts anfangen kann: Gangsterfilme, Eastern – und am allerwenigsten sog. Splatter-Filme.

– Der erste Film, den du im Kino gesehen hast
Das war eine Kompilation von Disney-Kurzfilmen zum Thema Musik; der Silly-Symphony-Cartoon Musicland von 1935 (auch so ein Post-Stummfilm) war dabei, der hat mir damals einen ungeheuren Eindruck gemacht und wohl meine lebenslange Faszination für Disneys Werke begründet.

– Welchen Film hättest du lieber niemals gesehen?
Ein „Lehrfilm“ in der Armee, in dem Kriegsverletzungen im Vietnamkrieg in Grossaufnahmen gezeigt wurden.

– Der merkwürdigste Film, den du mochtest
Hmm…definitiv was von David Lynch. Twin Peaks – Fire Walk With Me. Und natürlich die vorausgehende TV-Serie.

– Der beängstigendste Film, den du je gesehen hast
Hmmm…definitiv was von David Lynch. Eraserhead vielleicht.

Der lustigste Film, den du je gesehen hast
Der lustigste? Ach Gott! Was für eine Auflage… Arsenic and Old Lace vielleicht? Oder Der Schuh des Manitu? Bei letzterem habe ich wirklich gelacht wie selten. Seit ich jedoch Bullys Folgefilm (T)raumschiff Surprise grässlich fand, zweifle ich. War ich beim Manitu einfach in besonders ausgelassener (oder bedenklicher) Stimmung oder war der tatsächlich so gut. Müsste ich mal wieder überprüfen.

Damit schmeisse ich das Stöckli jemand anderem ins Blogger-Gärtli. Ich dachte da an Sieben Berge, an Wortmann und an Tonight is gonna be a large one. Bin mal gespannt, wie Ihr Euch aus der Affäre zieht.
Natürlich darf auch jemand anders das Hölzli aufgreifen und seine Kommentärli dazuschreiben.
So, und jetzt begebe ich mich wieder zurück nach Metropolis….

Nachtrag: Das Filmstöckchen ist bereits bei zweien der Beworfenen angekommen; Tonight is gonna be…  hat es bereits bearbeitet – vor über vier Jahren! Gratulation, bullion, so schnell war noch keiner! Und auch Wortmann hat sich die Aufgabe schnell vom Hals geschafft. Und nun auch Sieben Berge. Danke Euch dreien. Bis zum nächsten Stöckchen!
(Ich plane ernsthaft, ein eigenes Stöckli zu kreieren und auf Reisen zu schicken – mal sehen, ob es auch vier Jahre lang unterwegs ist…)

25 Comments

  1. Auch du wurdest augenblicklich lobend verlinkt. Mensch, bin ich stolz auf meine „Auserwählten“! 🙂 An David Bowie hätte ich natürlich ebenfalls denken können, und der berüchtigte Armeefilm, ein Vorläufer von „Hostel“, wurde auch uns an einem Samstag vorgesetzt (anschliessend gabs Leberli und Polenta). – Dass du mich jetzt auf eine neue Sichtung von „Fantasia“ gierig gemacht hast, muss ich kaum extra betonen, und den Rest von „Out of Africa“ kann man sich problemlos ersparen (am ersparten Geknutsche bist du selber Schuld).

    Vielen Dank für deine spannenden Antworten! Und noch inbrünstiger möchte ich dir danken, dass du mir im Gegensatz zu – äh – einem gewissen Blogger-Kumpel keine Bonusrunde aufgehalst hast. Denn auch mir liegt vor dem ersehnten Urlaub noch ein Moloch auf der Seele. Vielleicht besonders bezeichnend: Es handelt sich um einen ausserordentlich „leichten“ Film, was die Besprechung zur Qual machen dürfte…

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    1. Dass Du noch weisst, was es nach dem „Army-Hostel“ zu Essen gab, beweist den Eindruck, den der Streifen auch auf Dich gemacht hat.
      Aus „Out of Africa“ wäre ich wahrscheinlich sowieso geflüchtet; Pollacks Machwerk ist aber der einzige schlechte Film, bei dem ich meine Flucht hinterher bitter bereut habe – ich ohrfeige mich noch heute manchmal, denn seither ist mir sowas nie wieder passiert!
      Was Deinen „leichten Film“ betrifft, so kann ich mitfühlen: Die paar dürftigen Zeilen, die ich über „Les femmes du 6ième étage“ verloren habe, waren äusserst qualvoll abgerungen…!

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    2. Solche Bilder, wie sie für diesen „Lehrfilm“ geschildert werden, sind auch in Hans-Dieter Grabes niederschmetternder ZDF-Dokumentation NUR LEICHTE KÄMPFE IM RAUM DA NANG zu sehen. Den Film gibt es in der ZDF-Mediathek, aber Vorsicht, er bereitet schlaflose Nächte.

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  2. Interessante Antwortem! Zu „Der Schuh des Manitu“ und (T)Raumschiff Surprise kann ich Dir nur beipflichten: Ersterer ist wirklich lustig, letzterer garnicht.

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  3. Doch wo bleibt Sieben Berge? Im Urlaub?

    Sowas ähnliches – ich hatte vierzehn Tage relative Pause, die ich für einen geistigen Stand-By-Sommerbetrieb genützt habe – folglich dümpelte auch die Bloggerei etwas vor sich hin.

    Bin jetzt also schon an der Arbeit, nachdem du für mich ja noch das „Stöckli“ wieder zum „Stöckchen“ mundgerecht dehelvetisiert hast 😉

    Zu deinem Stöckli:

    Schauspielerin: Veronica Lake ist ja mal eine sehr ungewöhnliche, aber auch sehr interessante Wahl.

    Auch David Bowie verdient erwähnt zu werden – stimmt. Er ist irgendwie in den letzten Jahren etwas aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verschwunden. Ich erinnere mich noch an die Zeit, als seine Musik und seine Schauspielerei durchaus präsenter waren.

    Popcorn: Sehr richtig!

    Humor: „Arsenic and Old Lace“ und „Der Schuh des Manitu“ in einem Satz zu erwähnen ist – tief durchatmen – eine humortheoretische Ellipse sondergleichen. Oder ein Paradoxon. Oder physikalisch eine Materie- Antimateriereaktion 😉

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    1. Ah, schön, von Dir zu hören. Freue mich schon auf Dein „Stöcklein(chen)“!

      Die Wahl von „Schuh des Manitu“ habe ich ja selber leicht relativiert – im vollen Bewusstsein um die gewagte Nebeneinanderstellung. Für „Arsenic“ gäbe ich siebenundzwanzig Manitu-Schuhe her, keine Frage. Ich habe auch nur den „Lach-Faktor“ bewertet – und da fiel mir neben Capras Klassiker wirklich nichts anderes ein.

      Veronica Lake schätze ich nicht unbedingt als grosse Schauspielerin – aber gabelingeber freut sich halt auch ab und zu an einer sexy Performance – und da ist Veronica, zusammen mit Rita Hayworth, einfach unschlagbar!

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  4. @Veronica Lake

    Ich habe mal an anderer Stelle Clairs „I Married a Witch“ (1942) besprochen und geschrieben, die Lake sei eine von drei Schauspielerinnen, die ich direkt von der Leinwand aus… :stummfilmmodus: – Dass Naomi Watts die zweite ist, versteht sich wohl von selber. Nummer drei durfte in einem hübschen Thriller als mögliche Männermörderin mal nachts in einem Shop im schwarzen Lackmantel Al Pacino wie eine räudige Katze umgarnen. Hach, die schönen Gemüseständer, die man da so zu sehen bekam!

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        1. Hmm, an einen Gemüseständer kann ich mich nicht erinnern…obwohl ich die Szene durchaus mit dem Stichwort…ähm, „Ständer“ in Verbindung bringe. Was ist eigentlich aus dem Kätzchen geworden?

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